We look at the same moon but live in different worlds – Global Burn Care Zurich-Switzerland, Indore-India, Kabul-AfghanistanBegonnen hat alles vor nun mehr als 5 Jahren als Habib Ur Rahman Qasim aus Kabul für vier Wochen das Zentrum für brandverletzte Kinder am Universitätskinderspital in Zürich besuchte und für diese Zeit in unserem Team mitarbeitete. Habib Ur Raman Quasim leitet am «Indira Gandhi Institute for Child Health (IGICH)» in Kabul die Station für brandverletzte Kinder. Dort werden Kinder aus ganz Afghanistan behandelt.
In diesen vier Wochen, in denen Habib Ur Rahman Qasim uns besuchte, wurden wir mit der Realität in seinem Spital in Kabul konfrontiert. Kurz zusammengefasst sieht die Situation in Kabul folgendermassen aus: Habib Ur Raman Qasim und sein Team behandeln ungefähr fünfmal so viele Kinder pro Jahr wie unser Team in Zürich und es gibt viel mehr Todesfälle. Da es an den einfachsten Voraussetzungen für eine auch nur annähernd moderne Behandlung, wie wir sie aus Zürich kennen, fehlt, überleben die Kinder in Kabul oft nicht einmal mittelschwere Verbrühungen oder Verbrennungen. Kinder mit schweren Verbrennungen kann das Team in Kabul gar nicht erst behandeln, es fehlen schlichtweg die Mittel dazu. Bei schweren Verbrennungen versuchen die Eltern entweder mit den schwerkranken Kindern nach Pakistan zu reisen oder es folgt eine einfache Schmerzbehandlung bis die Kinder nach wenigen Tagen an den Folgen der Verbrennung sterben.
Seit dem ersten Besuch von Habib Ur Rahman Qasim in Zürich haben mein Team und ich viel zustande gebracht um ihm und seinem Team in Kabul zu helfen. Unterstützt von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) konnten wir in den letzten fünf Jahren Habib Ur Rahman Qasim mehrmals für ein Training nach Zürich einladen und ihm via Telemedizin bei der Behandlung seiner Patienten unterstützen. Zudem haben wir seine Station in Kabul komplett umgebaut und renoviert und das dortige Team mit den wichtigsten chirurgischen Instrumenten ausgerüstet.
Leider brachte diese ganze Unterstützung zunächst nicht den erwarteten Erfolg, denn nach der Renovation der Station und dem Bekanntwerden, dass der mutige afghanische Chirurg von Schweizer Kollegen essentielle Unterstützung erfährt, verdoppelten sich die Patientenzahlen und es kamen zunehmend schwerere Fälle. Habib Ur Rahman Qasim musste sich darauf der grossen Herausforderung stellen, sich gegenüber der Krankenhausverwaltung und dem Gesundheitsministerium in Kabul stark zu machen, um mehr Personal zu bekommen.
Die erfolgreiche Behandlung von Verbrennungen ist – wie fast nirgendwo sonst in der Medizin – auf ein gut funktionierendes Team angewiesen. Darum war es von Anfang an klar, dass es in einem zweiten Schritt des Projektes darum gehen wird, das Team von Habib Ur Rahman Qasim zu stärken und weiter auszubilden.
In der Zwischenzeit wurde das Hilfsprojekt für brandverletzte Kinder in Afghanistan zu einem offiziellen Projekt des Universitätskinderspitals Zürich – eine Anerkennung, welche das Team des Zentrums für brandverletzte Kinder motiviert hat, weiter zuzupacken und das Team in Kabul weiterführend zu unterstützen. Wieder konnte die DEZA gewonnen werden, das Projekt zu unterstützen. In einem nächsten Schritt will man nun erreichen, dass das gesamte Team in Kabul (d.h. Chirurgen, Narkoseärzte, Pflegende und Physiotherapeuten) geschult wird. Dazu arbeiten wir mit Tom Potokar zusammen, einem plastischen Chirurgen aus Wales, der sich schon seit vielen Jahren für Global Burn Care-Projekte engagiert und die Organisation «Interburns» aufgebaut hat.
Im Rahmen dieses Ausbildungsprogramms bin ich nun auf dem Weg nach Indore in Indien. Dort werde ich auf Renat Pfann, Ergotherapeutin aus unserem Team in Zürich, treffen sowie auf Tom Potokar, Shobha Chamania und das Team aus Kabul. Leider war es schon vor einem Jahr klar, dass wir den Ausbildungsworkshop aus Sicherheitsgründen nicht in Kabul durchführen können. Deshalb haben wir uns entschieden, den Workshop in Indore, Indien, abzuhalten. Dort arbeitet Shobha Chamania schon seit vielen Jahren sehr erfolgreich mit ihrem Team am «Choithram Hospital» und hat dort ein Verbrennungszentrum aufgebaut, dessen Möglichkeiten zwar immer noch weit unter denen bei uns in Zürich sind, aber doch viel besser als die derzeitigen in Afghanistan.
In den folgenden 8 Tagen werde ich immer wieder aus Indore berichten und euch einladen, an meiner Reise teilzunehmen – aus der hochspezialisierten Medizin in Zürich in eine Welt, in der Ärzte, Pflegende und Therapeuten mit minimalen Mitteln versuchen, Kinder mit Brandverletzungen zu behandeln, deren Leben zu retten und sie vor lebenslanger Stigmatisierung und Behinderung zu bewahren.
Tag 2 (21. Oktober 2017)
Tag 8 (27.10.17):
Clemens Schiestl
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Liebe Blog-Leserinnen und Leser
Es freut mich, mit euch die ersten guten Nachrichten von Habib und seinem aus den Erkenntnissen in diesem Workshop in Indien zu teilen. Es sind Veränderungen, welche auch ohne grosse finanzielle Mittel sofort umsetzbar sind.
Habib Ur Rahman erzählt, wie der Rahmen des Workshops in Indien, die Erfahrungen und Erkenntnisse aus den zahlreichen Diskussionen sowie die anschliessenden Veränderungen einen Boden geschaffen haben für die Vertiefung der gegenseitigen Wertschätzung und des Vertrauens zwischen den Teilnehmenden der Chirurgie, Pflege, Therapie und Anästhesie. Das Team ist nach wie vor sehr motiviert und freut sich, jene Ideen und Veränderungen, welche ohne grossen finanziellen Aufwand möglich sind, gleich umzusetzen.
So macht Masoud Mohammadi, der Physiotherapeut jetzt jeden Morgen mit Habib Ur Rahman die Visite bei den Patientenkindern. Gemeinsam entscheiden sie, welche therapeutischen Massnahmen bei welchem Kind Priorität hat. Für das therapeutische Setting, den Verlauf und die Kommunikation mit den Eltern hat Habib Masoud die volle Verantwortung übergeben. Das ist in einem Land wie Afghanistan, wo die Hierarchie sehr stark präsent ist, nicht so selbstverständlich. Masoud Mohammadi ist der einzige Physiotherapeut im ganzen Kinderspital und daher für die Wirksamkeit seiner Massnahmen auf die enge Zusammenarbeit mit den Pflegefachfrauen angewiesen. Regelmässig bespricht, informiert und instruiert er die Pflegefachfrauen. Habib leerte sein eigenes Büro auf der Station, um dort Platz für die Therapien in der Frührehabilitation zu schaffen. Ergotherapie gibt es übrigens nicht in Afghanistan, so müssen der Physiotherapeut und die Pflegefachfrauen viele dieser Aufgaben übernehmen.
Die drei Pflegefachfrauen, allen voran Jamila Safi und Masouda Mansor zusammen mit der Stationsleitung Deeba Mohed beschlossen schon in Indien, für die schmerzhaften Verbandswechsel, verschiedene Methoden der Ablenkung einzuführen und gleichzeitig die Eltern soweit wie möglich dabeizuhaben, damit diese ihren Kindern Trost und Sicherheit geben können. Mit grosser Überzeugung und Motivation haben sie diese Veränderungen bereits eingeführt.
Selbstverständlich brauchen all diese Massnahmen deutlich mehr Personal. So konnte Habib Ur Rahman erwirken, dass das Team ab dem kommenden Monat mit weiteren drei Pflegefachfrauen verstärkt wird. Immerhin, sind sie dann zu viert pro Schicht – was natürlich noch immer eine unglaubliche Herausforderung bei 40 und nicht selten mehr Patienten ist.
Im Weiteren wird Habib Ur Rahman regelmässige Zeiten für gemeinsame Weiterbildung, Vertiefung und Reflexion einführen und diese auch dokumentieren.
Zahlreiche kleine und grosse Schritte sind bereits geplant, brauchen aber noch einiges an Zeit (und Geld) für diesen langen, oft auch sehr steinigen, kurvenreichen Weg in Richtung einer umfassenden Behandlung der brandverletzten Kinder in Afghanistan, getragen von einem eingespielten multiprofessionellen Team unter der Leitung von Habib Ur Rahman Qasim.
Renat Pfann, Ergotherapeutin im Kispi
Projektmanagement ‘Capacity building of burn team at the Indira Gandhi Hospital Kabul, Afghanistan’
Was für ein wunderbares Projekt – freue mich als interessierte Leserin nun Ihren Blog mitverfolgen zu dürfen! Ich wünsche Ihnen einen spannenden und interaktiven Aufenthalt und natürlich viel Spass beim Bloggen :)
Liebe Grüsse und alles Gute nach Indien, Isabel