PabloPablo ist ein offenes, lebendiges Kindergarten-Kind. Der Sechsjährige ist schon weit um die Welt gereist. Einen grossen Teil seines Lebens hat er mit seinen Eltern in China verbracht. Nebst Schweizerdeutsch und Chinesisch spricht Pablo auch Englisch und Spanisch. In seiner Freizeit ist es ihm nie langweilig: Er besucht einen Schwimmkurs, fährt gern Velo, geht ins Karate und ins Turnen, mit seinem Papi und dem achtjährigen Bruder Diego geht er gerne wandern und im Winter fährt er Ski. Und sobald Pablo eine freie Minute hat, spielt er mit seinen Freunden. Mit seiner lockeren und sympathischen Art ist es für Pablo einfach, Kontakt zu anderen Menschen zu knüpfen.
Dies alles ist nicht selbstverständlich. Denn bei Pablo wurde drei Wochen nach der Geburt ein Macrocephaly-Capillary Malformation Syndrom (M-CM) diagnostiziert. Dies ist ein sehr seltenes Syndrom, das zu den sogenannten PROS (PIK3CA-related overgrowth spectrum) Erkrankungen gehört. Beim M-CM Syndrom kommt es aufgrund einer genetischen Veränderung zu einem verstärkten Wachstum verschiedener Gewebe im Körper. So ist bei Pablo die linke Gesichtsseite ein bisschen grösser als die rechte, sein rechtes Bein ein Stück länger als das linke und ein Zeh etwas länger als der andere.
Aufgrund der Seltenheit dieser Erkrankung, ist es schwierig, Aussagen über deren Verlauf zu machen. Dies war für die Eltern vor allem am Anfang, nach der Geburt, schwierig. Das Erste, was die Eltern nach Pablos Geburt von Ärzten zu hören bekamen, war «So etwas habe ich noch nie gesehen». Die Unsicherheit der Ärzte in Bezug auf die Diagnose und den Verlauf der Erkrankung erschwerte die ohnehin schwierige Zeit – die von Sorgen und Schuldgefühlen geprägt war. Die Familie musste sich mit viel Kraft wappnen, um die endlosen medizinischen Untersuchungen zu bewältigen und einen Weg zu finden, um mit Pablos Auffälligkeiten umzugehen. Der konstante Austausch mit Familie, Freunden und Fachpersonen sowie die daraus resultierende Unterstützung waren dabei zentral.
Regelmässige medizinische Untersuchungen gehören auch heute noch zum Alltag von Pablo und seiner Familie. Die Familie hat mit der Zeit gelernt, das Leben Tag für Tag zu geniessen und nicht zu stark auf die Zukunft zu fokussieren. Sie leben im Hier und Jetzt, geniessen die Kleinigkeiten im Leben und halten den Augenblick nicht für selbstverständlich.
Pablo wird aufgrund seines Aussehens häufig angestarrt und auch angesprochen, sowohl in der Schweiz als auch in Asien oder Südamerika. Schweizer seien etwas diskreter, doch jeder würde gerne wissen, wieso Pablo anders aussieht. Kulturübergreifend sei die hoffnungsvolle Frage, ob die Krankheit ‘geheilt’ werden könne. Für viele Erwachsene sei es schwierig zu verstehen, dass Pablos Syndrom ihn das ganze Leben begleiten wird. Die Familie geht sehr offen mit dem Thema um. Indem sie proaktiv auf andere Leute zugehen und sie über das Syndrom informieren, möchten sie das Bewusstsein für M-CM Syndrom sowie für die Einzigartigkeit jedes Individuums steigern.
Pablo ist ein sehr fröhliches Kind. Dies ist für seine Familie viel wichtiger als der Norm zu entsprechen. Vielleicht braucht Pablo manchmal etwas mehr Zeit und Geduld, um etwas Neues zu lernen, aber schon von früh an hat er gelernt, nie aufzugeben und nach einem Sturz wieder aufzustehen und es nochmals zu versuchen. Und sollte einmal jemand gemein zu Pablo sein, so kann er sicher sein, dass sein Bruder Diego ihm den Rücken deckt.
Text: Paola Keller, Assistenzpsychologin, Kinderspital Zürich, 2019
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