Anna-Lena

 Ich bin Anna-Lena, 20 Jahre alt, aus der Ostschweiz und studiere mittlerweile im dritten Jahr Medizin in Basel. Zu meinen Hobbies gehören Geräteturnen, Klavier spielen und Kochen :-)

Mein Lebensmotto: Es ist, wie es ist!“

 

Was ist Deine Hautauffälligkeit?

Ich habe ein Feuermal auf der linken Gesichtshälfte. Der Fachbegriff dafür ist ‚Naevus Flammeus‘. Meine Eltern haben sich bei meiner Geburt dazu entschieden, es nicht weglasern zu lassen, um mich später einmal selbst entscheiden zu lassen. Meine Mutter hat mir nach meiner Geburt versprochen, mein Feuermal nie in irgendeiner Weise vor anderen zu verstecken. Mit 13 Jahren habe ich mich letztendlich für eine Lasertherapie im Kinderspital entschieden. In Behandlung war ich bis zu meinem 18ten Lebensjahr. In meiner Familie war meine Hautauffälligkeit glücklicherweise nie ein grosses Thema. Meine Mutter hat mir regelrecht eingebläut, dass es etwas Besonderes und Schönes ist. Ich selbst war auch immer davon überzeugt, dass es cool ist, ein Feuermal zu haben und bin sehr selbstbewusst damit umgegangen. 

 

 

Wie reagierst Du auf Reaktionen zu Deinem Feuermal?

Mein selbstbewusster Umgang hat mir dabei geholfen, mich nie persönlich angegriffen zu fühlen. Wenn andere mal einen Kommentar gemacht oder sogar gelacht haben – dann habe ich eher mitgelacht. Der eigene Umgang mit der Hautauffälligkeit ist sehr wichtig. Ich schätze, dass mich das Feuermal sogar selbstbewusster hat werden lassen, als ich es ohne wäre.

Bei meinen Mitstudenten spielt es keine grosse Rolle und auch im Freundeskreis ist es kein Thema. Sobald das Thema aufkommt, sind alle sehr interessiert und stellen Fragen. Doch von sich aus trauen sich die Leute eher nicht, es anzusprechen und nachzufragen, was ich denn da im Gesicht habe. Manchmal wundert es mich, dass niemand fragt, vor allem in einer neuen Gruppe mit unbekannten Leuten. Ich habe kein Problem damit, wenn Fragen kommen. Es ist sogar gut, wenn das Thema aus dem Weg ist, und die anderen mich als die Person kennenlernen können, die ich bin – ohne sich die ganze Zeit zu fragen, was ich im Gesicht habe…

Die Reaktionen fremder Menschen interessieren mich hingegen wenig, darauf achte ich nicht.

Hast Du schon einmal negative Erfahrungen im Zusammenhang mit deinem Feuermal gemacht?

Nur einmal mit einem Jungen aus der Schule, der meinte, ich sehe aus, als sei ich in einen Farbtopf gefallen. Daraufhin habe ich ihm eine Ohrfeige gegeben… Nach diesem Vorfall hat er sich nie wieder getraut etwas in diese Richtung zu sagen. (lacht)

Wie möchtest Du, dass Dir andere Menschen begegnen?

Im Prinzip so wie allen anderen Menschen auch: offen und vor allen Dingen ohne Vorurteile.

Was erwartest Du von der Gesellschaft im Umgang mit Menschen mit einer Hautauffälligkeit?

Weniger Stigma und weniger Vorurteile! Es braucht viel Aufklärung, Vor allem derer, die niemanden mit einer Hautauffälligkeit kennen und aufgrund dessen falsche Annahmen machen. Es ist wichtig zu lernen, dass es auch Menschen da draussen gibt, die anders aussehen und trotzdem richtig sind, so wie sie sind.

Was hat Dir auf Deinem Weg zur Selbstakzeptanz geholfen?

Irgendwann habe ich gemerkt, dass es egal ist, wie ich aussehe. Die Menschen, die mich gern haben, haben mich so oder so gerne. Da spielt das Äussere keine Rolle. Es ist meiner Familie zu danken, dass das Feuermal nie ein grosses Thema war und dass sie mir einen selbstbewussten Umgang damit gelehrt hat.

Was hat Dich Deine Erfahrung mit Deiner Hautauffälligkeit gelehrt?

Ich denke, dass sie mich ein Stück weit gelehrt hat, empathisch zu sein. Mich hat es schon immer sehr mitgenommen, wenn andere aufgrund ihres Aussehens gehänselt wurden. Ich hatte das Glück, dass es mir nicht so erging, aber es war durchaus der Gedanke da, dass es auch anders sein könnte, und mir ebenfalls hätte passieren können.

Denkst du manchmal: ohne Feuermal würde ich heute nicht da stehen, wo ich gerade im Leben stehe?

Ich denke schon, dass es mich in gewisser Weise beeinflusst hat. Durch meine Maturaarbeit, in der ich mich mit den sozialen Auswirkungen von Hautautauffälligkeiten befasst habe, ist mir klar geworden, dass ich später im gesundheitlichen Bereich tätig sein und Menschen helfen möchte. Insofern hat es mich in meiner Berufswahl und der Entscheidung zum Medizinstudium beeinflusst.

Wie würdest du den Begriff Schönheit definieren?

Für mich ist Schönheit, wenn jemand empathisch, hilfsbereit, grosszügig, offen ist. Das sind für mich die Eigenschaften, die jemanden zu einem „schönen Menschen“ machen.

Was sind Deine Träume für die Zukunft?

Ich sehe mich als Ärztin, in welcher Fachrichtung weiss ich noch nicht, eventuell mit Kindern. Ausserdem würde ich mir eigene Kinder wünschen. Das Wichtigste ist mir, glücklich und erfüllt zu sein, sowie meinen Beruf gerne auszuüben.

Was ich mir für mich und alle Menschen ganz besonders wünschen würde: weniger Vorurteile.

Gibt es eine Botschaft, die Du gerne mit anderen teilen würdest?

Das Wichtigste ist es, sich selbst so lieben zu können, wie man ist. Gemäss meinem Lebensmotto „Es ist, wie es ist“ sollte man lernen, sich zu akzeptieren. Sobald man dazu in der Lage ist, ist alles andere egal. Dann kommt es auch nicht mehr darauf an, was andere denken.

 

 

 

(Interview: Laura Neumaier, Psychologie-Praktikantin, 2020)

 

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