Celina Leroy«Mein Name ist Celina Leroy, ich bin 31 Jahre alt, Künstlerin und Kunstlehrerin an einer öffentlichen High School in New York City.»Was ist Deine Hautauffälligkeit?Ich wurde mit einem Feuermal (engl.: port-wine stain birthmark) auf Kinn, Lippen und Wange geboren. Das ist eine angeborene Gefässfehlbildung, die als rötliche bis dunkelviolette fleckenförmige Hautveränderung sichtbar wird. Nur circa 1 bis 3 von 1000 Babys kommen mit einem Feuermal zur Welt. Wie gehst Du mit Reaktionen zu deinem Feuermal um?Das kommt darauf an. Ist es eine negative Reaktion eines Fremden, dann wäre es mir am liebsten, wenn man mich nicht darauf anspricht, denn das geht mir auch heute noch nah. Wenn mir Menschen jedoch respektvoll und höflich begegnen oder über meine Kunst sprechen wollen, dann gehe ich offen und freundlich auf die Fragen ein. Was erwartest Du von der Gesellschaft im Umgang mit Menschen mit einer Hautauffälligkeit?Ich wünsche mir, dass andere uns mit einer interessierten, akzeptierenden Haltung gegenübertreten und unsere Hautauffälligkeit nicht als etwas gesehen wird, vor dem man Angst haben muss. Ich denke, umso häufiger wir unterschiedliche Menschen, nicht nur mit verschiedenen Hautauffälligkeiten, sondern allen Arten von Auffälligkeiten sehen, umso mehr entwickeln wir eine Akzeptanz für alle diese verschiedenen, schönen Formen der menschlichen Existenz. Wir sind alle auf verschiedenste Weisen unterschiedlich. Ich denke das ist auch der Grund, warum viele Menschen ohne Hautauffälligkeit fasziniert sind von meiner Kunst: Es geht nicht nur um die Geburtsmale, es geht auch darum, dass wir alle einzigartig sind und lernen das zu akzeptieren und zu feiern.
Was war die Inspiration für deine Kunst?Ich habe während der Corona-Pandemie damit begonnen Portraits von Menschen zu malen, die vaskuläre Malformationen haben, darunter Feuermale, venöse Malformationen, Sturge-Weber-Syndrom oder Klippel-Trénaunay-Syndrom. Die meisten dieser Auffälligkeiten treten im Gesicht auf und Betroffene erleben häufig negative soziale Reaktionen bis hin zu sozialer Ausgrenzung. Dies wiederum kann das Selbstwertgefühl schwächen. Ich selbst habe mich oft unsicher gefühlt mit meinem Feuermal und konnte mich lange nicht so akzeptieren wie ich bin, darum möchte ich mit meiner Kunst die breite Öffentlichkeit über diese Hautauffälligkeiten informieren und falsche Vorurteile und Stigmatisierung abbauen.
Gleichzeitig hat mir diese Portraits zu malen auf meinem Weg zur Selbstakzeptanz geholfen. Durch die Geschichten anderer Betroffener konnte ich meine eigenen Erfahrungen besser verstehen. Nachdem ich begonnen habe, meine Bilder auf Social Media zu posten, wurde ich mit zahlreichen Anfragen von anderen Betroffenen und ihren Familien überhäuft, alle wollten ein Portrait von sich anfertigen lassen. Die Freude in ihren Gesichtern als Reaktion auf meine Kunst war das Beste. Doch ich wollte zusammen mit dem Bild auch eine Geschichte erzählen, weshalb ich anfing, meinen Modellen eine Reihe von Fragen zu stellen. Jetzt gerade läuft in Manhattan in Zusammenarbeit mit Positive Exposure eine multimediale Kunstausstellung, in der man meine Bilder betrachten und gleichzeitig der Stimme der dargestellten Person zuhören kann, wie diese ihre ganz persönliche Geschichte erzählt. Wie bist du zu deiner Kunst gekommen?Ich fühlte mich schon immer zur Kunst hingezogen, also habe ich einen Master in Art Education gemacht und wurde Kunstlehrerin. Wenn man Künstler ist, sucht man immer unbewusst sein eigenes Thema, worum es in der Kunst gehen soll. Da mein Feuermal mich sehr geprägt hat, dachte ich schon länger, dass ich vaskuläre Malformationen thematisieren möchte. Früher war ich jedoch noch nicht selbstbewusst genug dafür. Als dann Covid-19 ausbrach und wir alle zu Hause waren, hatte ich Zeit um mich diesem Herzensprojekt zu widmen. Zu dieser Zeit bin ich auch der Vascular Birthmarks Foundation beigetreten und habe so viele tolle Menschen mit verschiedenen Geburtsmalen kennengelernt. Ich war fasziniert von der Schönheit, die alle diese Menschen als Gruppe ausstrahlten – jeder war auf seine Weise so anders und interessant. Die Muttermale sahen für mich wie wunderschöne Landkarten oder bunte Inseln auf der Haut aus. Es war auch sehr heilsam, die Erfahrungen von anderen Betroffenen zu hören und zu verstehen, dass unsere Erlebnisse oft sehr ähnlich sind, obwohl wir aus den unterschiedlichsten Regionen der Welt stammen. Genau deshalb kam ich auch auf die Idee, jedes Bild mit einem kurzen Interview zu begleiten. Wen möchtest du mit deiner Kunst erreichen?Die ganze Welt (lacht). Muttermale sind schliesslich in allen Regionen der Welt vertreten. Ich hoffe aber besonders Personen zu erreichen, die vielleicht niemand anderen mit einer Hautauffälligkeit kennen und sich durch meine Kunst weniger isoliert oder einsam fühlen. Durch meine Social Media Kanäle, Ausstellungen oder auch Workshops konnte ich viele Menschen verbinden, die Hautauffälligkeiten haben, was mich sehr erfüllt. Was wäre eine Botschaft, die Du gerne mit Kindern und Jugendlichen, die eine Hautauffälligkeit haben, teilen möchtest?Schäm dich nicht für deine Hautauffälligkeit. Akzeptiere und erforsche sie als das, was sie ist. Es ist okay anders zu sein, denn jeder ist auf subtile Weise anders. Lass dich behandeln, wenn du das möchtest und suche eine Gemeinschaft von Menschen, wo du ungeniert über deine Erfahrungen sprechen kannst und wo ihr euch gegenseitig unterstützen könnt. Du bist nicht allein, es gibt andere Menschen, denen es ähnlich geht wie dir. Und: Deine Auffälligkeit macht dich schön und interessant. Sie macht .dich stärker und auch empathischer gegenüber anderen, eine Eigenschaft, die ich besonders schätze. Was sind deine Träume für die Zukunft?Mehr Kunstausstellungen machen zu können, vielleicht ein paar meiner Gemälde zu verkaufen oder die Bilder in grösseren Räumen ausstellen zu dürfen, wo mehr Publikum hinkommen kann. Toll wäre es auch mit Spitälern oder Ärzten zusammenzuarbeiten, um das öffentliche Bewusstsein zu stärken. Ich werde auf jeden Fall mein Projekt weiterverfolgen und hoffentlich bald grössere Projekte realisieren, um der ganzen Welt zu zeigen, dass jede Haut schön ist.
(Interview: Celina Weber, Februar 2023) Weiterführende Links
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- «Tagesanzeiger-Artikel Sarah, übersät mit Leberflecken», 25.12.2013