Leonie

«Verbrennungsnarben muss man nicht verstecken. Die Narben sind ein Teil von mir und sie zeigen, was ich alles durchgemacht, erlebt und gemeistert habe.»

Leonie erlebte im Alter von vier Jahren einen Verbrühungsunfall beim Inhalieren. Dabei wurden vor allem die Oberschenkel und Bauchregion verletzt. Danach folgten sechs Wochen Spitalaufenthalt. Das einschneidendste Erlebnis in dieser Zeit war, als Leonie erfuhr, dass Kopfhaut an die Verbrennungsstellen transplantiert werden musste. Leonie hatte lange, blonde, lockige Haare, welche sie nun plötzlich komplett abschneiden musste. Zum Glück wuchsen die Haare mit der Zeit wieder nach. Was blieb, sind einerseits Narben, andererseits aber auch das starke Selbstbewusstsein und die bemerkenswerte Widerstandskraft von Leonie.

 

Schon während des Spital­aufenthaltes zeigte sich Leonie äusserst resilient, vor allem auch im Zusammen­hang mit neugierigen Blicken und dem «angestarrt werden». Beispielsweise streckte Leonie neugierigen Personen, die sie wegen der fehlenden Haaren anstarrten, prompt die Zunge heraus. So wusste sie schon als Kleinkind, wie man sich die Kontrolle zurückholt, wenn man sich aufgrund einer körperlichen Auffälligkeit in einer unangenehmen Situation befindet. Auch heute geht sie selbstbewusst auf andere Leute zu. Allgemein wünscht sich Leonie von anderen, dass man offen auf sie zugeht und sie direkt auf die Narben anspricht, anstatt sie anzustarren. Denn wenn man angestarrt wird, bekommt man das Gefühl vermittelt, dass man nicht der Norm entspricht, was zu Verunsicherung führen kann.

 

Leonie ist der Überzeugung, dass der Unfall sie an ihr grösstes Hobby – das Schwimmen – herangeführt hat, welches sie bis heute prägt und sie als unglaubliche Bereicherung empfindet. Teil der Therapie nach dem Verbrennungsunfall war nämlich das tägliche Baden. Das erste Mal als Leonie nach dem Unfall baden durfte, erfüllte Leonies Lachen den ganzen Gang der Station für brandverletzte Kinder, so dass man es bis ins Zimmer der Pflegefachpersonen hörte. Diese Begeisterung fürs Wasser und fürs Baden hält bis heute an. Leonie ist Teil eines Schwimmclubs und trainiert fünf bis sechs Mal pro Woche. An den Wochenenden nimmt sie zudem an Wettkämpfen teil. Das Schwimmen ist ihre Leidenschaft und zu einem wichtigen Teil ihres Lebens geworden.

 

Leonie sagt, dass sie ohne ihre Narben nicht die Person wäre die sie heute ist. Die Narben sind für sie kein Makel, sondern ein Teil ihrer Identität. Sie ist stolz auf diese, denn sie erzählen ihre einzigartige Geschichte.

 

Leonie möchte sich für andere Kinder und Jugendliche mit Brandverletzungen engagieren und ihnen Mut machen, ebenfalls stolz mit ihren Narben umzugehen. Deshalb möchte sie demnächst einen Schwimmevent für Kinder und Jugendliche mit Brandverletzungen organisieren. Dieser steht ganz unter dem Motto, dass betroffene Kinder und Jugendliche ihre Narben nicht verstecken sollen, sondern auf diese stolz sein können, da sie Zeichen dafür sind, was man alles durchgemacht, erlebt und gemeistert hat. Wir freuen uns auf den Event!

 

(Text: Bianca Bürli, Oktober 2023
Fotos: Valérie Jaquet, Kinderspital Zürich)

Weiterführende Links

  1. Katarina Lempel sagt:

    Hallo liebe Leonie
    Unser Sohn hat sich damals als 2 Jährige stark verbrüht und hat sehr ähnlich wie du alles erlebt. Hat ebenso grosse Narben und ihm wurde ebenso Kopfhaut transplantiert. Jetzt ist er 11 Jahre alt und wir kennen niemanden mit ähnlichem Schicksal. Ich danke dir für deine Geschichte und Organisation des Treffens! Wir freuen uns dich kennenzulernen.
    Mit lieben Grüsse Katarina und Mathias.

  2. Antonella Iannotta sagt:

    Liebe Leonie
    Wir haben deine Stärke in deinem Schicksal schon immer bewundert. Wie du das Ganze gemeistert hast – Hut ab! Du bist ein grosses Vorbild für alle, die etwas ähnliches erleben. Ich bin mir sicher, dass du vielen Menschen ganz viel Mut machst und ihnen hilfst, an sich selbst zu glauben. Was für eine grossartige und schöne junge Frau du geworden bist. Du musst gar nichts verstecken, denn deine Schönheit strahlt über den Körper hinaus Meine Tochter hat das Glück, dich als Freundin zu haben. We love you!

  3. Elisabeth Fischer sagt:

    Liebe Leonie, liebe Barbara,
    Christel und Franz haben mir
    diesen Link gesendet. Ich bin total
    fasziniert von Euch beiden. Ich hab das
    Unglück hautnah miterlebt und auch
    mitgelitten. Ein unfassbare Leid. Ihr
    habt diesen Schicksalschlag
    unglaublich gemeistert, im Gegen
    Teil es wurde daraus eine Stärke
    entwickelt, die das Leben von Leonie
    massgeblich beeinflusst. Das klingt
    Wie ein Märchen und hat das
    Potential für einen Film, der
    Millionen Menschen Mut und
    Optimismus geben kann. Ich
    gratuliere der ganzen Familie, alle
    waren an diesem Wunder beteiligt.

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