Phyllida Swift„Mein Name ist Phyllida Swift. Ich bin leidenschaftliche #FaceEquality-Aktivistin“
Danke Phyllida, dass Du Dir für unser Interview Zeit genommen hast! Was ist Deine Hautauffälligkeit?Ich habe eine große, auffällige Narbe, die an der Seite meines Gesichts verläuft. Die Narbe stammt von einem Autounfall im Jahr 2015 in Ghana, Afrika. Wie reagierst Du auf Reaktionen zu Deinem veränderten Aussehen?Es ist sehr selten, dass jemand offen auf mein Aussehen reagiert. Ich werde gelegentlich angestarrt, dann neige ich dazu, diese Person anzulächeln, um sie zu entwaffnen. Hier in Grossbritannien haben wir eine sehr „höfliche“, zurückhaltende Kultur, in der wir nicht oft Kommentare über die Gesichter und das Aussehen anderer Leute machen, obwohl ich keinen Zweifel daran habe, dass Kommentare oft gemacht werden, nachdem ich den Raum verlassen habe. Außerhalb Großbritanniens oder wenn ich jemanden aus anderen Ländern treffe, bekomme ich oft mehr Reaktionen. Meistens fragen sie einfach, wie ich meine Narbe bekommen habe und das war es dann auch schon. Ich habe jedoch bedeutendere Reaktionen von kleinen Kindern gehabt, die auf meine Narben in einer offensichtlicheren Weise hingewiesen haben. Ich habe Kinder erlebt, die mir sagten, dass „mein Gesicht unheimlich ist“ und dass sie es nicht mögen. Wie möchtest Du, dass Dir andere Menschen begegnen?Ich finde es wohltuend, wenn die Leute das Gefühl haben, sie könnten fragen, woher ich meine Narben habe, weil es so oft „der Elefant im Raum“ ist. Es wird nie wirklich darüber gesprochen, und doch weiß ich, dass die Leute darüber nachdenken, also warum sollte man die unangenehme Sache nicht ansprechen, anstatt sie zu ignorieren. Aber ich würde es vorziehen, wenn mich jemand zuerst kennen lernen und ein Gespräch auf freundschaftlicher Ebene führen würde, anstatt dass es das erste ist, was zu mir gesagt wird. Ich glaube auch nicht, dass ich es verkraften würde, bei jeder einzelnen sozialen Interaktion meine Narbe erklären zu müssen. Du hast bereits für Changing Faces gearbeitet und nun bist Du bei Face Equality International aktiv. Was ist Deine Motivation für diese Wohltätigkeitsorganisationen zu arbeiten und was gefällt Dir an der Arbeit dort am besten?Es gibt so viele Elemente im Leben mit einer Hautauffälligkeit, dass diejenigen, die nicht davon betroffen sind, diese nie vollständig verstehen werden, bis sie es selbst erfahren, und selbst dann ist die Erfahrung jedes Einzelnen so einzigartig. Und doch scheint die universelle Erfahrung jedes Menschen, welcher eine Hautauffälligkeit erwirbt oder mit einer geboren wird, eine Erfahrung der Ausgrenzung, der Unterschätzung in Bezug auf Schule, Karriere usw. zu sein, und auch der Druck, in der modernen Gesellschaft ein bestimmtes Aussehen zu haben, ist so akut, dass das Gefühl vom anders sein die Kämpfe so vieler Menschen um Selbstwertgefühl, Körperbild und allgemeines Vertrauen verstärkt. Ich setze mich mit großer Leidenschaft für die Neugestaltung von Erzählung ein, die wir derzeit so oft in den Medien und in der Öffentlichkeit erleben, dass Hautauffälligkeiten etwas schlechtes sind. Es ist die öffentliche Wahrnehmung, die das Schlechte ist. Ich möchte zukünftigen Generationen das Gefühl geben, dass sie nicht durch ihr Aussehen eingeschränkt sind, und dass sie wissen, dass die Einschätzungen, die andere allein aufgrund ihres Aussehens über sie machen, keine Auswirkungen auf ihre Lebensqualität haben sollten. Die Art und Weise, wie Menschen mit Hautauffälligkeiten momentan in der Öffentlichkeit dargestellt werden, ist vernichtend negativ, und dies gibt ohne Zweifel Ausschlag auf die Vorurteile und Diskriminierungen, welchen Menschen mit einem auffälligen Aussehen im Alltag begegnen. Ich habe mich um eine Rolle in diesen Organisationen bemüht, weil ich Teil einer Zukunft sein möchte, in der die Chancengleichheit im Leben nicht vom Aussehen vorgeschrieben wird. Was erwartest Du von der Gesellschaft im Umgang mit Menschen mit einer Hautauffälligkeit?Es besteht ein großer Bedarf für einen enormen Wandel der Einstellung in der Gesellschaft in Bezug auf Vorurteile gegenüber Menschen mit Hautauffälligkeiten, die mit der gleichen Aufmerksamkeit behandelt werden müssen wie Feindlichkeit gegenüber Menschen mit Beeinträchtigungen, Rassismus, Sexismus, Transphobie und so weiter. Leider wird die Angelegenheit im Moment nicht mit der nötigen Strenge betrachtet, die sie in der Politik, im Gesetz und in allen Aspekten des täglichen Lebens für jemanden mit Hautauffälligkeiten rechtfertigt. Was sind Deine Träume für die Zukunft?Ich würde mir wünschen, dass Film-, Fernseh- und Werbefachleute die Verantwortung für die erheblichen Schäden übernehmen, die durch die negativen, diskriminierenden Darstellungen von Hautauffälligkeiten verursacht werden, die wir in der Mainstream-Kultur so oft sehen. Ich würde mir auch wünschen, dass die Rechte von Menschen mit Hautauffälligkeiten in größerem Umfang gewahrt werden, dass die Gesetzgebung Menschen mit verändertem Aussehen in den Bereichen Beschäftigung, Bildung und im Zusammenhang mit Missbrauch und Hassverbrechen besser rechtlich schützt, und ich würde mir wünschen, dass dies auf globaler Ebene geschieht. (Foto: Dan Clarke)
Weiterführende Informationen zu Phyllida Swift:Instagram: @phyllidaswift Facebook: Phyllida Swift Twitter: @PhyllidaSwift |
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- Interview mit Clemens Schiestl, Tagesanzeiger, 25.12.2013
- «Tagesanzeiger-Artikel Sarah, übersät mit Leberflecken», 25.12.2013